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Geschichtsdidaktik als Wissenschaftsdisziplin

Die Geschichtsdidaktik ist die „Wissenschaft vom historischen Lernen“ (Rüsen 2013, 254). Sie befasst sich mit dem „Geschichtsbewußtsein in der Gesellschaft“ (Jeismann 1977, 12) und steht als Teildisziplin der Geschichtswissenschaft neben Theorie der Geschichte (Historik) und historischer Forschung. Die Geschichtsdidaktik lässt sich in die drei Arbeitsfelder Theorie (Geschichtsdidaktik als Reflexionsinstanz), Empirie (Geschichtsdidaktik als Erfahrungswissenschaft) und Pragmatik (Geschichtsdidaktik als Handlungswissenschaft) unterteilen (Schönemann 2014, 11).

 

Geschichtsbewusstsein als Zentralkategorie

Im Zentrum der Geschichtsdidaktik steht seit etwa vierzig Jahren die Kategories des Geschichtsbewusstseins (Jeismann 1977; 1988). Die Frage nach der Entstehung, Morphologie und Förderung reflektierten Geschichtsbewusstseins bildet den Kern geschichtsdidaktischer Forschung. Die Entwicklung reflektierten Geschichtsbewusstseins wird schulformübergreifend in fast allen aktuellen Lehrplänen als Ziel des Unterrichtsfaches Geschichte ausgewiesen (Thünemann 2014; 2015, 259).

Der Begriff des Geschichtsbewusstseins wird von unterschiedlichen Geschichtsdidaktikerinnen und Geschichtsdidaktikern zwar verschieden definiert (v. Borries 2001; Pandel 2013, 129-150; Schönemann 2014, 27-36), aber unabhängig von Differenzen im Detail gibt es doch einen breiten Grundkonsens, der sich auf drei Aspekte bezieht. Erstens liegt dem Begriff ein konstruktivistisches (kein normatives) Geschichtsverständnis zugrunde, zweitens ist Geschichtsbewusstsein daher eine dynamische (keine statische) Größe, und drittens verweist der Begriff auf eine mehrdimensionale mentale Struktur bzw. Operation.      

Karl-Ernst Jeismann geht von drei „Dimensionen der Erkenntnisleistung im Geschichtsbewußtein“ (Jeismann 1980, 207; Schönemann 2014, 28) aus und unterscheidet historische Sachanalyse, historisches Sachurteil und historisches Werturteil. Seine Definition von Geschichtsbewusstsein als „Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive“ (Jeismann 1997, 42) verweist nicht nur auf die Reziprozität der verschiedenen Zeithorizonte, sondern auch auf die Standortgebundenheit historischer Erkenntnis und damit auf den Konstruktcharakter von Geschichte selbst.

Jörn Rüsen definiert Geschichtsbewusstsein als mentalen Prozess der „Sinnbildung über Zeiterfahrung“ im Modus des historischen Erzählens und betonte vor allem die „narrative Struktur der historischen Erkenntnis“ (Rüsen 1982, 133).

 

Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur

Als „praktisch wirksame Artikulation von Geschichtsbewußtsein im Leben einer Gesellschaft“ (Rüsen 1994, 5) bildet die Geschichtskultur einen wesentlichen Untersuchungsgegenstand der Geschichtsdidaktik. Zugleich ist der Begriff der Geschichtskultur in den vergangenen Jahrzehnten zu einer zentralen Kategorie avanciert. Eine geschichtskulturell inspirierte geschichtsdidaktische Forschung fragt danach, „wie eine Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte umgeht“ (Pandel 2013, 164). Bernd Schönemann zufolge können Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur als „zwei Seiten einer Medaille“ begriffen werden: hier das Geschichtsbewusstsein als individuelles Konstrukt, dort die Geschichtskultur als kollektives Konstrukt (Schönemann 2000, 44; vgl. Hasberg 2004; Thünemann 2005). Mit der Hinwendung zur Geschichtskultur hat die Geschichtsdidaktik ihren Gegenstandsbereich seit den 1970er Jahren über den Geschichtsunterricht hinaus deutlich ausgeweitet.   

 

Ausgewählte Forschungsfelder der Geschichtsdidaktik

  • Theorie der Geschichte und Geschichtsdidaktik
  • Historische Bildungsforschung  
  • Historische Lehr-Lernforschung
  • Empirische Forschung zu Geschichtsbewusstsein, Geschichtskultur und Geschichtsunterricht
  • Heterogenität und Inklusion
  • Historisches Lernen im digitalen Zeitalter
  • Professionsforschung
  • Schulbuchforschung
  • Forschungen zur Genese und Rezeption von Geschichtskultur / Public History
  • Disziplingeschichte