Fragen der Datierung
Stratigraphische Datierung ist zunächst lediglich relativ, denn durch die Schichten lässt sich allein das Zeitverhältnis eines Gebäudes und seiner Phasen in Relation zu anderen Gebäuden (und deren verschiedenen Phasen) klären. Für absolute Datierungen – auf einzelne Jahre oder auch Jahrzehnte oder Jahrhunderte genau – benötigt man in der Regel datierbare Funde, die einer Bauphase zugeordnet werden können. Das kann eine Münze, ein Schmuckstück oder eine Scherbe Keramik sein, aber auch naturwissenschaftlich datierbare Objekte wie Holz oder Pflanzenpollen. Kann man ein solches Objekt absolut datieren, bildet dieses Datum einen terminus post quem, einen Zeitpunkt, nach dem der entsprechende Zustand des Gebäudes erreicht worden sein muss. Schlicht gesagt: Das Objekt muss bereits existiert haben, um an diese Stelle gelangt zu sein. Da entsprechende Funde meist zuhauf auftreten, kann so ein recht genaues Raster zur Datierung eines Siedlungsplatzes und seiner Nutzungsphasen entstehen. Auch ohne dass ein Gebäude im Zentrum einer Grabung steht, lassen sich solche Erkenntnisse gewinnen, indem man an einem antiken Siedlungsplatz Grabungsschnitte anlegt, einzelne kleine Eingriffe in den antiken Befund, die anhand der dort gemachten Funde horizontal und vertikal untereinander vernetzt werden.
Dasselbe dichte Raster aus Abertausenden an Funden lässt wiederum Rückschlüsse auf die Entwicklung der jeweiligen Fundgattung in der Antike zu. Die materielle und stilistische Entwicklung von Keramik, die Verbreitung einer Sprache, der Geltungsbereich einer Währung und Vieles mehr können so erschlossen werden.
Vor diesem Hintergrund lässt sich erahnen, weshalb sich die Archäologie nicht nur für ‚Schätze‘ interessiert, die man auch ohne näheren Fundkontext in einem Museum ausstellen würde. Gerade die ‚unbedeutenderen‘ Funde lassen in der Masse wirtschaftliche Entwicklungen, militärische Strategien, kulturelle Kontakte erahnen oder Aspekte der Repräsentation eines Staates erkennen. Dabei gilt zu beachten, aus welchem Kontext der jeweilige Fund stammt. Eine Münze, die als Weihegabe in einem Heiligtum vergraben wurde, liefert andere Informationen als eine zufällig verlorene oder eine zusammen mit tausend anderen als Hort vergrabene.