Schrift
Die Griechen übernahmen die Schrift von den Phöniziern und entwickelten daraus das griechische Alphabet (Ort und Zeit sind in der Forschung umstritten). Erste Inschriften (auf Keramik) tauchen im 8. Jh. v. Chr. auf. Sie sind zunächst meist von rechts nach links geschrieben (die phönizische Schrift ist linksläufig), zum Teil auch in der sog. ‚Schlangenschrift‘ (gr. βουστροφηδόν/bustrophedón: „wie der Ochse beim Pflügen wendet“, d.h. abwechselnd links- und rechtsläufig, wobei auch die Buchstaben gespiegelt werden). Üblicherweise wird fortlaufend geschrieben (scriptio continua), ohne Abstand (spatium) zwischen den Worten. Worttrenner sind selten. Die Ausrichtung der Buchstaben nicht nur an einer horizontalen, sondern auch an einer vertikalen Linie (στοιχηδόν, stoichedón) ist besonders in Attika vom 6. bis 3. Jh. v. Chr. gebräuchlich.
Die lateinische Schrift entwickelte sich aus Alphabeten, die die Griechen nach Süditalien gebracht hatten. Dementsprechend haben wir anfangs eine linksläufige, später eine bustrophedón-Schrift, bevor wir – wiederum ähnlich wie in Griechenland – eine scriptio continua ohne Abstand zwischen den Worten, bestenfalls mit gelegentlichen Worttrennern haben. Groß- und Kleinbuchstaben gibt es in beiden Schriften nicht.
Schrift entwickelt und verändert sich mit der Zeit – wie wir das ja auch noch wahrnehmen können. Solche Veränderungen sind grob datierbar, so dass man einen hinreichend langen Text schon auf Grund seiner Schrift in ein bestimmtes Jahrhundert setzen kann: vor präziseren Angaben sei aber gewarnt.
Zu guter Letzt noch ein Problem, das ganz wesentlich mit Inschriften und Papyri verbunden ist: wie hoch war der Grad der Alphabetisierung in der Antike? Natürlich kann man hier nicht generalisieren, denn die Verbreitung von Inschriften ist in der Zeit nicht gleichmäßig, und sie ist auch geographisch nicht gleichmäßig: Inschriften sind fast überall stärker ein städtisches als ein ländliches Phänomen. Aber selbst in Gesellschaften, die sehr stark mit Inschriften arbeiten, ist nicht gesagt, dass ein Großteil der Bevölkerung sie lesen konnte: Inschriften waren immer auch Monumente, verkörperten – auch ohne gelesen zu werden – einen sozialen oder staatlichen Anspruch.