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Tobias Kohen (1652-1729) – der erste jüdische Student in Deutschland

Die Biographie Tobias Kohens

Carsten Schliwski

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Tobias Kohen <footnote data-anchor="anmerkung1" data-id="fn1">[1]</footnote> (Ṭuviyyah ben Moshe ha-Kohen) (1652-1729) stammte aus einer polnisch-jüdischen Arztfamilie, die vor den antijüdischen Pogromen <footnote data-anchor="anmerkung2" data-id="fn2">[2]</footnote> im Zuge des Chmelnyzkyj-Aufstandes im Jahre 1648 nach Metz geflohen war.

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Nach einer traditionellen jüdischen Ausbildung in Krakau und dem Medizinstudium in Frankfurt an der Oder und Padua arbeitete Tobias Kohen zunächst in Polen, ließ sich jedoch schließlich, nach einem kurzen Aufenthalt in Adrianopel, in Konstantinopel nieder, da das antijüdische Klima in Osteuropa seine ärztliche Tätigkeit zu sehr einschränkte. In der Hauptstadt des Osmanischen Reiches erlangte er den Titel eines Hofarztes und behandelte mehrere Sultane. Im Jahre 1724 ließ er sich schließlich in Jerusalem nieder, um sich ganz seinen religiösen Studien zu widmen.

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Während seines Aufenthaltes in Konstantinopel verfasste Tobias Kohen sein bekanntestes Werk Ma’asseh Ṭuviyyah („Das Werk des Tobias“), das zum ersten Mal im Jahre 1707 in Venedig gedruckt wurde. <footnote data-anchor="anmerkung3" data-id="fn3">[3]</footnote>

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Es handelt sich dabei um eine dreiteilige Enzyklopädie, die das bestehende Wissen seiner Zeit zusammenfasst. Dabei behandelt er Themen wie Theologie, Astronomie, Kosmographie, Geographie und Botanik. Den größten Raum in seinem Werk nimmt jedoch die Medizin ein, wobei auffällig ist, dass sich Tobias Kohen, anders als sein Vorgänger, zwar auch mit den klassischen Quellen (Hippokrates, Aristoteles, Galen) beschäftigt, es aber nicht dabei belässt. Er zieht auch zeitgenössische Quellen hinzu und entwirft somit ein modernes Bild der Medizin.  Dabei erweist er sich als Schüler des Paracelsus (1493-1541), dessen Konzept einer Verbindung zwischen Medizin und Chemie er übernimmt. <footnote data-anchor="anmerkung4" data-id="fn4">[4]</footnote>
 

Anmerkungen

<footnote data-anchor="fn1" data-id="anmerkung1">[1]</footnote> Zu den Leben und Werk des Tobias Kohen vgl. David Margalith, Cohn, Tobias ben Moses, in: Encyclopedia Judaica: Bd. V, Detroit 2  2007, S. 44 f.; Asher Salah, La République des Lettres. Rabbins, écrivains et médecins juifs en Italie au XVIII siècle, Leiden/Boston 2007, S. 182-184.

<footnote data-anchor="fn2" data-id="anmerkung2">[2]</footnote> Zur Einordnung des Aufstandes und den Folgen für die jüdischen Gemeinden vgl. Frank E. Sysyn, The Khmel'nyts'kyi Uprising: A Characterisation of the Ukrainian Revolt, in: Jewish History 17 (2003), S. 115-139 und Shaul Stampfer, What Actually Happened to the Jews of Ukraine in 1648?, in: Jewish History 17 (2003), S. 207-227.

<footnote data-anchor="fn3" data-id="anmerkung3">[3]</footnote> Insgesamt wurde das Werk in fünf verschiedenen Editionen gedruckt, vgl. Margalith, Cohn, S. 45.

<footnote data-anchor="fn4" data-id="anmerkung4">[4]</footnote> Vgl. David B. Ruderman, Jewish Thought and Scientific Discovery in Early Modern Europe, Detroit 2001, S. 244 f. Zur Einordnung des Werkes vgl. Abraham Melamed, 'Al kitfey 'anaqim. Toldot ha-polmos beyn aḥaronim le-rišonim ba-hagut ha-yehudit bi-ymey ha-beynayyim u-we-rešit ha-'et ha-ḥadašah, Ramat-Gan 2003, S. 226-232.

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