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Deutschösterreichische Studenten im akademischen Kulturkampf 1859-1914

Studentenverbindungen im Österreich des späten 19. Jahrhunderts

Alexander Graf

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In Österreich hatten sich, abgesehen von vorherigen zaghaften Versuchen, erst im Zuge der Schillerfeiern des Jahres 1859 Studentenverbindungen nach deutschem Vorbild gegründet. Bei dieser Gelegenheit manifestierte sich unter den Teilnehmern der Wunsch nach einem großdeutschen Staatswesen. So wurden im Rahmen der offiziellen Feierlichkeiten beispielsweise das Lied der Deutschen und Ernst Moritz Arndts „Was ist des Deutschen Vaterland“ gesungen. <footnote data-anchor="anmerkung1" data-id="fn1">[1]</footnote>

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Doch zunächst waren nur wenige gesellschaftliche Kreise für Bismarck und Preußen zu begeistern. Die kleindeutsche Lösung der deutschen Einigungsfrage, also unter Ausschluss Österreichs, wurde selbst von den Mitgliedern der neugegründeten Burschenschaften in Wien als notwendiges Übel gesehen. Diese Ansicht wurde auch in Graz vertreten. <footnote data-anchor="anmerkung2" data-id="fn2">[2]</footnote>

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Das sollte durch den Ausgang des preußisch-österreichischen Krieges 1866 seine Bestätigung finden. Nach dem Waffengang, der von den Zeitgenossen als „deutscher Bruderkrieg“ empfunden wurde, schuf Bismarck Fakten, die in der Reichsgründung des Deutschen Reiches 1871 ihren Abschluss fanden. In weiten Teilen der deutschsprachigen Studentenschaft der Habsburgermonarchie und darüber hinaus im liberalen Bürgertum machte sich Resignation breit. <footnote data-anchor="anmerkung3" data-id="fn3">[3]</footnote> Der Literat und Zeitzeuge Hermann Bahr erinnerte sich später an die Verzweiflung der Vätergeneration, ebenso wie an die Neuorientierung des Nachwuchses in Richtung des nördlichen Nachbarn. Für Bahr, der in den 1880er Jahren studierte, und seine akademischen Altersgenossen war dort das gelobte Land, wo der deutsche Kaiser, Bismarck und Moltke walteten. <footnote data-anchor="anmerkung4" data-id="fn4">[4]</footnote>

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Doch waren die deutschösterreichischen Studenten in den 1860ern nicht nur Beobachter des Geschehens. Einige nahmen als Soldaten der Habsburgermonarchie am Kampf gegen Preußen teil. <footnote data-anchor="anmerkung5" data-id="fn5">[5]</footnote> Als es darum ging, eine Akademische Legion aus Studenten gegen den norddeutschen Gegner aufzustellen, verhinderten dies in Wien namentlich Mitglieder der Burschenschaft Silesia und der Burschenschaft Arminia. Es waren auch Mitglieder der Silesia, die den Sieg der preußischen Truppen trotz mitunter widerstreitender Gefühle begrüßten. <footnote data-anchor="anmerkung6" data-id="fn6">[6]</footnote>

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Im Gegensatz zu den Burschenschaften standen schon damals die habsburgisch gesinnten, internationalen <footnote data-anchor="anmerkung7" data-id="fn7">[7]</footnote> Corps, welche eine andere Form der Verbindungskultur darstellten. Sie waren mit ihren 15 Bünden, die sich 1861-1865 <footnote data-anchor="anmerkung8" data-id="fn8">[8]</footnote> gebildet hatten, bis zum „Bruderkrieg“ ausgesprochen stark. Die Konfrontation des Jahres 1866 brachte sie in krassen Gegensatz zu den Burschenschaften, die sich eine Lösung der deutschen Frage von Preußen erhofften. Denn es waren Corpsstudenten, die damals freiwillig der österreichischen Armee beitraten und am Krieg teilnahmen. <footnote data-anchor="anmerkung9" data-id="fn9">[9]</footnote>

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In der deutschsprachigen Bevölkerung Österreichs zeichneten sich Ende der 1860er Jahre hingegen zwei Richtungen ab. Ein Teil entwickelte eine übersteigerte Identifikation mit der Habsburgermonarchie und sah sich als staatstragenden Volksteil, welcher den Vielvölkerstaat zusammenhalten sollte. In diesem Lager verharrte man in einer lehrerhaften Bürokratenpose gegenüber den übrigen, nichtdeutschen Mitbürgern und wollte sie zu guten Österreichern erziehen. Auf der anderen Seite suchte man sein Heil, indem man seine Hoffnungen in Bismarck setzte und auf den Anschluss an das Deutsche Reich hoffte. <footnote data-anchor="anmerkung10" data-id="fn10">[10]</footnote>

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In letzteren Kreisen entwickelte sich ein defensiver Nationalismus, der bis zum Zusammenbruch der Doppelmonarchie Österreich-Ungarns jegliche Zugeständnisse an die anderen Volksgruppen energisch ablehnte. <footnote data-anchor="anmerkung11" data-id="fn11">[11]</footnote> Diese Haltung wurde durch den Schock der Volkszählung von 1880 noch verstärkt. Denn durch deren Ergebnisse sahen die „Deutschösterreicher“ ihren Einfluss im Staat schwinden, da sie nur noch ein Volk unter vielen waren. <footnote data-anchor="anmerkung12" data-id="fn12">[12]</footnote> Zwar waren sie in Cisleithanien immer noch die größte Volksgruppe, doch war insbesondere der Anstieg der tschechischen Bevölkerung nicht zu übersehen. <footnote data-anchor="anmerkung13" data-id="fn13">[13]</footnote>
 

Anmerkungen

<footnote data-anchor="fn1" data-id="anmerkung1">[1]</footnote> Terzi, A. O. Ritter von: Die Anfänge des akademischen Korporationswesens und der deutschvölkischen Partei an den Wiener Hochschulen. In: Die Wartburg. Zeitschrift für den ostmärkischen Burschenschafter. 18. Jahrgang. Heft 3. März (Lenzmond) 1917. Wien. S. 35-37. S. 36f.

<footnote data-anchor="fn2" data-id="anmerkung2">[2]</footnote> Molisch, Paul: Die deutschen Hochschulen in Oesterreich und die politisch-nationale Entwicklung nach dem Jahre 1848. München 1922. S. 61-64.

<footnote data-anchor="fn3" data-id="anmerkung3">[3]</footnote> Molisch, Paul: Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Österreich von ihren Anfängen bis zum Zerfall der Monarchie. Jena 1926. S. 79. Anonym: Ein Blick in´s Reich. In: Wartburg. 4. Jg. Heft 1. April 1894. S. 2-3.

<footnote data-anchor="fn4" data-id="anmerkung4">[4]</footnote> Bahr, Hermann: Schwarzgelb. Berlin 1917. S. 22 und 35.

<footnote data-anchor="fn5" data-id="anmerkung5">[5]</footnote> Festschrift zum 100. Stiftungsfest der Akademischen Burschenschaft Alemannia in Wien 1862-1962. S. 3.

<footnote data-anchor="fn6" data-id="anmerkung6">[6]</footnote> Bilger, Ferdinand: Die Wiener Burschenschaft Silesia von 1860-1870 und ihre Bedeutung für die Anfänge der deutsch-nationalen Bewegung in Österreich. Heidelberg 1911. S. 35f.

<footnote data-anchor="fn7" data-id="anmerkung7">[7]</footnote> Deutsche Hochschule Graz Nr. 1, 2. Jg. 16. Jänner 1879. S. 5.

<footnote data-anchor="fn8" data-id="anmerkung8">[8]</footnote> Thosold, Barbara Maria: Die Entwicklung des Corpsstudententums in Österreich. Diss. phil. Wien 1983. S. 98.

<footnote data-anchor="fn9" data-id="anmerkung9">[9]</footnote> Doblinger, Max: Studententum, Burschenschaft und deutsche Einheitsbewegung in Graz bis 1880. Graz 1921. S. 41.

<footnote data-anchor="fn10" data-id="anmerkung10">[10]</footnote> Sutter, Berthold: Die politische und rechtliche Stellung der Deutschen in Österreich 1848 bis 1918. In: Wandruszka, Adam/ Urbanitsch, Peter: Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Band III: Die Völker des Reiches. 1. Teilband. Wien 1980. S. 154-339. S. 203f.

<footnote data-anchor="fn11" data-id="anmerkung11">[11]</footnote> Bruckmüller, Ernst: Nation Österreich. Kulturelles Bewußtsein und gesellschaftlich-politische Prozesse. Wien – Köln – Graz – Böhlau 1996. S. 296.

<footnote data-anchor="fn12" data-id="anmerkung12">[12]</footnote> Judson, Pieter M.: Exclusive Revolutionaries. Liberal Politics, Social Experience, and National Identity in the Austrian Empire, 1848-1918, Michigan 1996. S. 204.

<footnote data-anchor="fn13" data-id="anmerkung13">[13]</footnote> Koralka, Jiri/ Crampton, R. J.: Die Tschechen, in: Wandruszka, Adam/ Urbanitsch, Peter (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Band III: Die Völker des Reiches. 1. Teilband. Wien 1980. S. 489-521. S. 493. Kann, Robert: Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918. Ideen und Pläne zur Reichsreform (2. Band). Graz 1964. S. 390.

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