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Zitieren und Belegen

Belegen, belegen, belegen

Wie oben bereits erwähnt, ist es das oberste Gebot einer wissenschaftlichen Arbeit, dass die Argumente und Informationen nachvollziehbar sind und überprüft werden können. Die Forschungsliteratur und Quellen, auf die Sie sich in Ihrer Arbeit beziehen, müssen deshalb so zitiert und mit Textstellen belegt sein, dass sie von Ihren Leser*innen präzise aufgefunden und geprüft werden können.

Es ist völlig „normal“, wenn es in Ihrer Arbeit eine Vielzahl von Fußnoten gibt (pro Seite können es regelmäßig durchaus zwischen 5 und 10 Fußnoten sein!) – und meistens stimmt irgendetwas in der Belegpraxis nicht, wenn Seiten ganz ohne Fußnoten bleiben. So kommen z. B. korrekte wissenschaftliche Einleitungen aus Prinzip nicht ohne Fußnoten aus: Wenn Sie Ihre hauptsächliche Forschungsliteratur vorstellen, dann müssen Sie diese natürlich entsprechend in Fußnoten angeben. Im Hauptteil wird ebenfalls naturgemäß sehr viel belegt, dementsprechend viele Fußnoten finden sich am unteren Seitenrand. Lediglich im Fazit, in dem Sie vor allem das in den bisherigen Kapiteln Gesagte und Herausgefundene rekapitulieren und zusammenfassen, wird die Zahl der Fußnoten sich möglicherweise deutlich reduzieren.

Sicher fragen Sie sich: Was muss ich denn alles belegen? Pauschal ist diese Frage schwer zu beantworten, aber die grundsätzliche Maßgabe lautet: Alles, was nicht unmittelbar Ihrem eigenen Kopf entstammt, braucht einen Nachweis. Das schließt selbstverständlich alle (!) (wörtlichen oder nicht wörtlichen) Wiedergaben aus historischen Quellen oder aus der Forschungsliteratur ein, aber auch die Kenntnis historischer Entwicklungen und Ereignisse. Eine häufig formulierte Ausnahme liegt darin, dass eindeutiges Allgemeinwissen (z. B. „Im Jahr 1789 begann die Französische Revolution“ oder „1933 fand die nationalsozialistische ‚Machtergreifung‘ statt“) nicht belegt werden muss, manchmal wird diese Regelung auch auf „Handbuchwissen“ aus Überblicksdarstellungen ausgeweitet. Beide Begriffe – also Allgemein- und Handbuchwissen – sind aber wenig eindeutig und kaum gesellschaftlich verallgemeinerbar. Bei der Entscheidung, ob eine Information einen Beleg erfordert, ist also leider Fingerspitzengefühl gefordert. Im Zweifel gilt: Belegen Sie lieber „zu viel“, als dass Sie von Ihren Leser*innen zu viel Vorwissen erwarten. Ihr imaginäres Publikum ist (wie bereits erwähnt) sehr interessiert an historischen Abläufen und geschichtswissenschaftlicher Forschung, hat aber wenig konkrete Kenntnisse und muss deshalb von Ihnen durch eine belastbar belegte Argumentation geführt werden.

 

Was darf ich in meiner Arbeit zitieren?

Viele Studierende sind außerdem bei der Frage unsicher, wie sie eigentlich die Zitierfähigkeit von Materialien beurteilen sollen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, noch einmal auf die zentrale Unterscheidung von Quellen und Literatur zu verweisen, die Sie in allen Ihren Einführungsseminaren kennenlernen und diskutieren.

Quellen sind (wie oben bereits erwähnt) diejenigen historischen Materialien aus Ihrem Untersuchungszeitraum, mit denen Sie sich kritisch analysierend beschäftigen und aus denen Sie unmittelbar Erkenntnisse über die vergangenen Zusammenhänge gewinnen möchten.[1] Quellen entstammen also immer der Zeit, die Sie gerade untersuchen![2] Welche Materialien historische Quellen für Ihre Arbeit sind, entscheidet allein Ihre Fragestellung bzw. Ihre Methodik (also die Mittel und Vorgehensweisen Ihrer Analyse) – hierbei gibt es keine vorgegebene Begrenzung:

 

„Quellen sind Zeugnisse aus der Vergangenheit – und damit über die Vergangenheit. Alles Erhaltene ist eine Quelle, wirklich alles! […] Quellen müssen immer wieder neu gesucht, kritisch gelesen und befragt werden – im Dienste einer spezifischen Fragestellung.“[3]

 

Solange Sie quellenkritisch mit diesen Materialien arbeiten, können Sie also im Prinzip alles als historische Quelle verwenden – etwa so, wie ein*e Naturwissenschaftler*in prinzipiell alle beliebigen Versuche und Experimente durchführen kann, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Anders sieht es bei wissenschaftlicher Literatur aus. Hierzu schreiben Thorsten Beigel und Georg Eckert bündig: „Wenn Quellen der Rohstoff für alle geschichtswissenschaftlichen Produkte sind – dann ist Literatur das Werkzeug für deren Bearbeitung.“[4] An späterer Stelle führen sie aus:

 

„Mit Literatur – andere bevorzugen den wiederum nicht ganz unproblematischen Begriff ‚Sekundärliteratur‘[[5]] – ist hier stets gemeint: wissenschaftliche Ausführungen über die jeweilige Epoche, die jeweilige Region, den jeweiligen Autor und so weiter. Sie basiert ihrerseits (hoffentlich) auf Quellen. […] Woran erkennt man wissenschaftliche Literatur? Am Inhalt (nämlich an einer kompetenten Aufarbeitung des Forschungsstandes), am Stil (nämlich an einer sachlichen Formulierungsweise) und am Apparat (Nachweise und Literaturangaben, Fußnoten beziehungsweise Endnoten, in der Regel eine Bibliographie, oft auch Register).“[6]

 

Hier gibt es also eine ganze Reihe von Merkmalen und Qualitätskriterien, die eine Publikation zitierfähig machen können. Vor allem kommt es darauf an, dass man die Urheber*innen der Gedanken eindeutig benennen können muss. Im Wissenschaftsbetrieb wird von seriösen Institutionen in der Regel dafür Sorge getragen (es gelingt natürlich nicht immer), dass der veröffentlichte Text eine redaktionelle Qualitätskontrolle durchläuft und eine transparente Belegpraxis aufweist, damit überprüfbare (im Idealfall überprüfte) Informationen und nachvollziehbare Argumente in die Fachdiskussion eingespeist werden. Genau diese Abdeckung durch bestimmte Qualitätssicherungsprozesse fehlt bei vielen Online-Materialien leider – mögen sie auch, wie im Falle vieler Wikipedia-Artikel, eine akribische und forschungsgetränkte Darstellung vornehmen. Ohne klar benennbare Verantwortliche gibt es keine Zitierfähigkeit als wissenschaftliche Literatur![7] Auch bei Online-Materialien muss also immer auf ein Impressum und Belege geachtet werden – zusätzliche Marker wie die Ausgewogenheit der Darstellung (sowie der ausdrückliche Bezug auf andere wissenschaftliche Positionen) und ein wissenschaftlich-seriöser Tonfall können die Beurteilung der Güte zusätzlich untermauern.[8] Bei wissenschaftlicher Literatur kann man also versuchen, sich an diesen Kriterien zu orientieren. Im Zweifelsfall können Sie sich aber auch immer bei der Lehrperson erkundigen und um eine Einschätzung der Zitierfähigkeit als Literatur bitten. Im Laufe ihres Studiums werden Sie bei der Einschätzung von Materialien immer sicherer und routinierter werden – eine Fähigkeit, die auch in vielen Berufsfeldern gefragt ist.

Zwei wichtige Sonderfälle gegenüber dem bisher Genannten seien abschließend angeführt: Erstens ist es möglich, Forschungsliteratur als Quellen zu zitieren. So ist zum Beispiel ein Beitrag der älteren Forschung ja immer auch ein Zeugnis aus der Vergangenheit und kann daher als Quelle z. B. für die Wahrnehmung eines Gegenstandes in der früheren Geschichtswissenschaft bzw. für die öffentliche Diskussion des Gegenstandes gelesen werden – die gerade aufgemachte Unterscheidung ist also nicht immer ganz eindeutig zu treffen.[9] Der zweite Sonderfall betrifft die Zitation von Publikationen als allgemeinerer Ausdruck einer öffentlichen bzw. veröffentlichten Auffassung zu einem historischen Gegenstand: So ist es möglich, Materialien wie einen Wikipedia-Artikel, einen Blogbeitrag, einen Artikel im Feuilleton einer Zeitung oder eine Diskussion in einem Online-Forum als öffentliches Statement zu zitieren und sie z. B. in der Einleitung als Aufhänger und Einstieg in eine Fragestellung zu nutzen – dabei deklarieren Sie diese Beiträge weder als Fachliteratur noch analysieren Sie sie im engeren Sinne als historische Quelle. Es gibt also sehr unterschiedliche Szenarien, Materialien zu zitieren – und mit der Grenzziehung gehen auch unterschiedliche Maßstäbe der Zitierfähigkeit einher.

 


[1] Vgl. dazu: Budde, Gunilla, Quellen, Quellen, Quellen …, in: Dies. / Freist, Dagmar / Günther-Arndt, Hilke (Hrsg.), Geschichte. Studium – Wissenschaft – Beruf, Berlin 2008, S. 52–69 und Rhode, Maria / Wawra, Ernst (Hrsg.), Quellenanalyse. Ein epochenübergreifendes Handbuch für das Geschichtsstudium, Paderborn 2020.

[2] Vgl. Jordan, Einführung in das Geschichtsstudium, S. 68.

[3] Beigel/Eckert, Historisch Arbeiten, S. 62f.

[4] Ebd., S. 61. Im Original fett hervorgehoben.

[5] Der Begriff „Sekundärliteratur“ ist deshalb in der Geschichtswissenschaft nicht unproblematisch, weil es hier (anders als in der Literaturwissenschaft) keine „Primärliteratur“ gibt. Deshalb wird eher zwischen „Quellen“ einerseits und „Darstellungen“ oder „sekundären Materialien“ andererseits unterschieden

[6] Ebd., S. 88. Im Original sind die Worte „Inhalt“, „Stil“ und „Apparat“ fett hervorgehoben. Beigel und Eckert verweisen darauf, dass im Falle von Lehrbüchern z. B. oft Fußnoten fehlen, diese aber trotzdem zitierbar sind.

[7] Vgl. ebd., S. 101. Vgl. als Beispiel eines Wikipedia-Artikels, der rein inhaltlich als Forschungsbeitrag durchgehen könnte: https://de.wikipedia.org/wiki/Unsterbliche_Geliebte (Stand: 30. November 2023). Ohne klare Urheber*innenschaft und aufgrund der Flüchtigkeit der Überarbeitungsmöglichkeiten in der Wikipedia kann man ihn trotzdem nicht als wissenschaftliche Literatur zitieren – wohl aber zu einem Ausgangspunkt für die weitere Recherche machen.

[8] Vgl. Freytag/Piereth, Kursbuch Geschichte, S. 18f.

[9] Vgl. ebd., S. 17.