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Suchräume und Fachinformation

Zwei Jahrzehnte benötigte das Internet, um weltweit bei Forschungseinrichtungen und technikaffinen Communities Akzeptanz zu finden. Erst das 1989 von Tim Berners-Lee entwickelte Hypertextsystem World Wide Web machte innerhalb weniger Jahre aus dem Computernetzwerk das neue Massenmedium. Wie groß die Wirkung dieser Erfindung war, zeigt sich daran, dass wir heute die Begriffe „Internet“ und „WWW“ häufig synonym verwenden, obwohl das WWW nur ein Dienst im Internet ist. Neben der leicht zu bedienenden grafischen Benutzeroberfläche und der Vernetzung durch Hyperlinks trug auch die rasch wachsende Zahl an Websites zum Erfolg des WWW bei.

Die Datenflut erwies sich bald als Problem: Wie soll sich der Nutzer orientieren? Die bekannten Akteure und Selektionsmechanismen, die die analogen Fachinformationsräume bilden und strukturieren, bleiben im weltweiten, dezentral aufgebauten und multifunktionalen digitalen Medium wirkungslos. Für die Suche im digitalen Datenchaos haben sich schließlich zwei Methoden etabliert: redaktionell erstellte Verzeichnisse sowie automatisch generierte Volltextdatenbanken. Beide Prinzipien haben ihre Vor- und Nachteile; dennoch haben sich die Suchmaschinen im Laufe der letzten Jahre durchgesetzt, während Verzeichnisse kaum noch eine Rolle spielen. Oberflächlich betrachtet, spricht allein schon die quantitative Leistungsfähigkeit für die Überlegenheit der Suchmaschinen. Hier sollte man sich nicht täuschen lassen, denn Google & Co. weisen einen „blinden Fleck“ auf, der für die wissenschaftliche Recherche fatal ist.

Wer schon einmal im WWW dieselbe Suchanfrage mit verschiedenen Suchwerkzeugen durchgeführt hat, wird bemerkt haben, dass die Dienste meist unterschiedliche Ergebnisse liefern. Die Funktionalität des Suchprogramms bestimmt ebenso den Zugriffsweg auf die Information wie die Aufbereitung der Daten. Zudem weisen viele Datenbanken Überschneidungen auf – auch mit analogen Beständen. Redundante Suchergebnisse gehören zu den lästigen Begleiterscheinungen der Suche im Netz, während das Übersehen und Auslassen anderer – meist analoger – Datenbestände oft lange unbemerkt bleibt. Kenntnis über die verschiedenen Informations- und Suchsysteme und die Fähigkeit, sich in analogen und digitalen Informationsräumen zu orientieren, sollten daher ebenso wie die genaue Dokumentation der Suchräume und –anfrage zu einer erfolgreichen wissenschaftlichen Recherche gehören.
 

Literatur

Peter Horvath, Online-Recherche. Neue Wege zum Wissen der Welt. Eine praktische Anleitung zur effizienten Nutzung von Online-Datenbanken, Braunschweig 1994.

Peter Horvath, Geschichte Online. Neue Möglichkeiten für die historische Fachinformation, Köln: Zentrum für historische Sozialforschung, Köln 1997.

Wilfried Enderle: Geschichtswissenschaft, Fachinformation und das Internet, in: eForum zeitGeschichte, Vol. 3/4, 2001, online unter URL: http://www.eforum-zeitgeschichte.at/3_01a7.html (23.01.2013).

Wilfried Enderle: Der Historiker, die Spreu und der Weizen. Zur Qualität und Evaluierung geschichtswissenschaftlicher Internetressourcen, in: Geschichte und Informatik = Histoire et Informatique, Vol. 12, 2001, S. 49-64, online unter URL: https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=gui-001:2001:12::186#51https>https://www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=gui-001:2004:15::100#101https (13.07.2020).