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Antrag auf Verkürzung der Sperrfrist

Wo immer Sperrfristen wirken, bleibt die Möglichkeit, einen Antrag auf Sperrfristverkürzung zu stellen. Sofern nicht, wie z.B. bei den sächsischen Staatsarchiven, Formularanträge zur Verfügung stehen, stellt man solche Anträge formlos, sie sollten Selbstverständlichkeiten wie Datum, vollständige Angaben zur eigenen Person, Unterschrift und dergleichen enthalten, auch eine Begründung wird sich empfehlen. Bei privaten Archivalien, wie z.B. dem Schriftgut eines Wirtschaftsunternehmens oder häufig bei wissenschaftlichen Nachlässen, entscheidet der Eigentümer; bei öffentlichem Archivgut ist die Archivleitung oder, so vorhanden, eine Landesarchivverwaltung zuständig. 

Weitere Erläuterungen zu den Sperrfristen für Archivalien und amtliches Registraturgut

Die gesetzlichen Sperr- und Schutzfristen gelten überhaupt nicht für alle Archive in Privateigentum, wie Adels-, Unternehmens- und Archive der Parteien und Verbände. Hier setzt der jeweilige private Träger die Bedingungen nach Gutdünken fest.  

Von den gesetzlichen Sperrfristen ausgenommen ist jegliches Archivgut, das bereits beim Entstehen zur Veröffentlichung bestimmt war, zum Beispiel Pressemitteilungen, Geschäftsberichte, Werbemittel, Protokolle öffentlicher Gemeinderatssitzungen.  

In Deutschland gilt das Prinzip der Trennung von Verwaltung und Archiv; gleichwohl gelten die öffentlich-rechtlichen Sperr- und Schutzfristen nicht nur für die Archive von Bund, Ländern und Kommunen, sondern "im Prinzip" (fast wie bei Radio Eriwan, wo stets das "aber" aus dem "ja" ein "nein" macht) für alle Behörden. Beispielsweise pflegen kommunale Bauämter Pläne zu verwahren, die vor weit mehr als 30 Jahren gezeichnet worden sind. Praktisch ist freilich ein solches Nutzungsbegehren noch nie juristisch durchgefochten worden, was wohl daran liegt, dass kein Außenstehender genau wissen kann, über welche Akten oder Baupläne eine Behörde verfügt. Und selbst wenn Sie als potenzieller Nutzer konkrete Wünsche vorbringen könnten, müssten Sie damit rechnen, abgewiesen zu werden, häufig aus Unkenntnis der Rechtslage oder wegen deren Schwammigkeit. 

Es gibt die Rechtsmeinung, wonach das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland sogar den Zugang zu amtlichem Schriftgut ohne jegliche Sperrfristen eröffnet (siehe Udo Schäfer), und zwar unter den Bedingungen a) auf Antrag, b) für wissenschaftliche Zwecke und c) sofern keine personenbezogenen Daten enthalten sind. Noch weiter sind bislang elf Bundesländer (alle außer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen) gegangen, indem sie Akteneinsichts- und Informationsfreiheitsgesetze erlassen haben, die, wieder "im Prinzip", jedermann ohne Begründung ein Einsichtsrecht in alle Behördenunterlagen garantieren.

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Ein solches Jedermann-Zugangsrecht ohne Fristen wird schon lange täglich gewährt im Fall bestimmter öffentlicher Dokumente wie der Handelsregister und Grundbücher. In wohl den meisten anderen Fällen wird Ihr gewünschter Blick in die Amtsregistratur scheitern, denn eine Fülle von einschränkenden Ausnahmen hebt das scheinbar fortschrittliche allgemeine Einsichtsrecht gerade dort auf, wo die Unterlagen interessant zu werden beginnen. Der Schutz von Persönlichkeitsrechten Dritter wirkt (zu Recht) weiter, und zusätzlich greift als Allzweckwerkzeug ein vielfältig auslegbares "Amtsgeheimnis", das es stets zu wahren gilt. 

Fazit: In Behördenregistraturen recherchieren zu wollen heißt, in einen administrativ-juristischen Dschungel einzudringen. Alleine schon wegen der Infrastruktur, also mit den Findmitteln, einem Lesesaal, meist sachkundigem Personal, selbst den vergleichsweise deutlichen Nutzungsregeln, sind Sie als Forscher in einem Archiv allemal besser bedient.

Der ab und an offen oder implizit geäußerte Verdacht, Archivare würden Herrschaftswissen bunkern, kritische Interessenten abwimmeln und "den Mächtigen" Einsicht in ansonsten geheime Unterlagen gewähren, hat in öffentlichen, fachlich geführten Häusern gewiss noch nie zugetroffen und wird auch künftig unbegründet bleiben. In anderen Fällen, etwa im Rathaus einer kleinen Gemeinde, mag die Unwissenheit archivische Laien bisweilen dazu verleiten, eine berechtigte Nutzung zu verweigern, etwa unter Berufung auf einen nebulösen "Datenschutz". 

Sollten Sie als NutzerIn von Sperrfrist-Fragen betroffen sein, dann besorgen Sie sich am besten den Text Ihres Landesarchivgesetzes, das für alle öffentlich-rechtlichen Archive im Bundesland gilt, überdies von vielen privaten Archivträgern freiwillig angewandt wird. In den Staatsarchiven einiger Bundesländer sind Broschüren mit den jeweiligen Landesarchivgesetzen zu haben; zumindest sollten Sie überall eine Kopie erhalten können. 

Die Fundstellen aller aktuellen deutschen Archivgesetze (sowie von Kommentaren und Literatur dazu) sind nachgewiesen unter <http://www.archivschule.de/>.

Mit den vorigen Abschnitten haben Sie nun gegebenenfalls eine Faktengrundlage, auf die Sie sich stützen können, um beim Vorgesetzten zu reklamieren.

Andere mögliche Einschränkungen bei der Vorlage von Archivalien

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In aller Regel werden Sie im Archiv die authentischen Originale vorgelegt bekommen. In folgenden Ausnahmefällen geschieht dies nicht: a) Der Bestand wird gerade archivisch bearbeitet, also geordnet und verzeichnet oder verfilmt. b) Der Erhaltungszustand der Unterlagen lässt eine Benutzung vorläufig nicht zu, dann bekommen Sie die Stücke entweder später restauriert auf den Tisch oder auf Mikrofilm ins Lesegerät. c) Mehr als überdurchschnittlich häufig benutzte Archivalien wie z.B. Kirchenbücher (Tauf-, Sterbe-, Eheregister), bestimmte Pergamenturkunden, einzelne Karten oder Fotosammlungen dürfen zur Schonung der Originale für künftige Generationen nur in einer Ersatzversion eingesehen werden, also üblicherweise auf Mikrofilm, künftig wohl zunehmend auch in digitalisierter Form.