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Weitere Herangehensweisen und Einteilungen

Manche Einteilungen wie die in Primär- und Sekundärquellen werden teils nur noch selten verwendet. Einige Herangehensweisen, wie die Unterscheidung in äußere und innere Quellenkritik oder die Prüfung, ob eine Quelle echt ist, sind gerade für Anfänger*innen weniger relevant. Damit Sie wissen, warum das so ist und was sich hinter den Begriffen und Methoden verbirgt, werden sie im Folgenden kurz erläutert.

Äußere und innere Quellenkritik

In den Geschichtswissenschaften ist eine Unterscheidung in äußere und innere Quellenkritik üblich.[1] Die äußere Kritik, auch formale Kritik genannt, geht dabei von der äußeren Form aus und fragt nach der Glaubwürdigkeit der Textgestalt (bzw. des Objekts). Die innere (inhaltliche) Kritik klärt, inwieweit die Aussagen der Quelle glaubwürdig sind. Für die meisten Anwendungsfälle im Bachelorstudium dürfte die äußere Kritik eine untergeordnete Rolle spielen, weil sie in kritischen Editionen bereits geleistet wurde. Kritische Editionen sind oft besonders hilfreich, weil sie über eine wissenschaftliche Einleitung verfügen, die wichtige Informationen zum Autor, zum Inhalt des Werks und zur Überlieferung enthält. In der Praxis können Sie sich also meist auf Editionen und Forschungsliteratur stützen, um die Fragen der äußeren Kritik zu klären, und sich auf die innere, also inhaltliche Kritik konzentrieren, für die Sie auf die oben beschriebenen Fragen zurückgreifen können. Natürlich kann auch die äußere Kritik je nach Fragestellung wichtig sein, wird aber im Rahmen des Studiums eher für Fortgeschrittene relevant sein.

Echtheitsprüfung

Natürlich ist es wichtig zu wissen, ob eine Quelle das ist, was sie zu sein vorgibt.[2] Aber ‚echt‘ bedeutet nicht unbedingt ‚besser‘. Dazu zwei kurze Beispiele: Die sogenannten Hitler-Tagebücher wurden 1983 in Auszügen von der Zeitschrift „Stern“ veröffentlicht, stellten sich aber sehr bald als Fälschungen heraus. Bei einer Arbeit, die den journalistischen Umgang mit der Zeit des Nationalsozialismus in den 1980er Jahren in den Blick nimmt, könnten die „Hitler-Tagebücher“ dennoch eine wichtige Quelle sein.[3] Sie können natürlich nicht als Quelle für den Nationalsozialismus selbst herangezogen werden, da die im Text enthaltenen Aussagen der Fantasie des Fälschers entsprungen sind.

Im Mittelalter gibt es eine Vielzahl von gefälschten Urkunden. Daher nimmt das discrimen veri ac falsi, also die Feststellung, ob eine Urkunde echt oder gefälscht bzw. verfälscht ist, eine wichtige Rolle in der Diplomatik (Urkundenlehre) ein. Im 19. Jahrhundert hat man Fälschungen nicht weiter behandelt und oft nicht einmal in die Editionen aufgenommen. Fragt man aber nicht einfach nach der Echtheit, sondern nach dem Grund, warum eine Fälschung angefertigt oder eine Urkunde kopiert und verfälscht (also geändert oder ergänzt) wurde, lassen sich wichtige Erkenntnisse gewinnen.[4] Erneut kommt es also vor allem auf die Fragestellung an, die darüber bestimmt, ob ein Text oder Objekt sinnvoll als Quelle genutzt werden kann – auch dann, wenn sie sich als Fälschung erweist. Für die Einschätzung einer Quelle ist es natürlich dennoch wichtig zu wissen, wie es um ihre Echtheit bestellt ist.

Primär- und Sekundärquellen

In der älteren Geschichtswissenschaft wird gelegentlich in Primär- und Sekundärquellen unterschieden, wobei Primärquellen zeitlich oder örtlich näher an den Berichtsgegenständen zu verorten seien als Sekundärquellen.[5] Diese Einteilung hat allerdings keine allgemeine Gültigkeit, denn die Zuordnung ist von der Fragestellung abhängig. Eine Urkunde kann beispielsweise genauere Auskünfte über das Rechtsgeschäft bieten als eine spätere Chronik, die über denselben Vorgang berichtet. Andererseits kann die Chronik vielleicht mehr über die Motive und Hintergründe des Rechtsgeschäfts aussagen als die Urkunde.[6] Was als Primär- oder Sekundärquelle gelten kann, hängt also vom eigenen Erkenntnisinteresse ab. Diese Unterscheidung ist in den modernen Geschichtswissenschaften daher nicht mehr üblich, auch wenn die Frage nach Nähe und Distanz zum Geschehen natürlich nach wie vor ein zentraler Teil der Quellenkritik ist.

Im englischen Sprachraum spricht man dagegen von primary sources und secondary sources, meint damit aber die Unterscheidung von Quellen und Forschungsliteratur. Dazu kommen dann noch tertiary sources, also Werke, die sich hauptsächlich auf Literatur stützen und keine eigenen Interpretationen oder Analysen beinhalten (Lexika, Wörterbücher, Bibliographien, etc.).

Das Begriffspaar „Primärliteratur“ und „Sekundärliteratur“ stammt aus den Literaturwissenschaften. Als „Primärliteratur“ werden die Texte bezeichnet, die analysiert werden (beispielsweise Thomas Manns „Buddenbrooks“[7]), während die analysierenden und interpretierenden Texte die „Sekundärliteratur“ sind.[8] In den Geschichtswissenschaften wird dieses Begriffspaar nicht verwendet, stattdessen sind die Bezeichnungen „Quellen“ einerseits und „Literatur“, „Forschungsliteratur“ oder „Darstellungen“ andererseits üblich. Zur Unterscheidung von Quellen und Literatur sei auf den entsprechenden Abschnitt im Quellentutorium verwiesen.


[1] Dazu und zum Folgenden Budde, Gunilla / Freist, Dagmar: Verfahren, Methoden, Praktiken, in: dies. / Günther-Arndt, Hilke (Hrsg.): Geschichte. Studium – Wissenschaft – Beruf (Akademie Studienbücher Geschichte), Berlin 2008, S. 158–177, hier S. 160; Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte: Mittelalter. 4. Aufl., Stuttgart 2014, S. 268f.

[2] Formulierung nach Budde: Quellen, S. 66: „Ist die Quelle wirklich das, was sie zu sein vorgibt?“

[3] Die Hintergründe zur Fälschung der Hitler-Tagebücher sind sehr nachvollziehbar im Podcast „Faking Hitler“ aufbereitet: https://faking-hitler.podigee.io (abgerufen am 29.3.2023).

[4] Als Beispiel für eine solche Studie sei verwiesen auf Roach, Levi: Forgery and Memory at the End of the First Millennium, Princeton und Oxford 2021.

[5] Brandt, Ahasver von: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 33), 18. Aufl., Stuttgart 2012, S. 51f.

[6] Vgl. ebd., S. 50.

[7] Mann, Thomas: Buddenbrooks. Verfall einer Familie, Berlin 1901.

[8] Beispielsweise Kraske, Bernd M.: Revolution und Schulalltag in Thomas Manns „Buddenbrooks“. Erzählte Zeitgeschichte im Roman, Bad Schwartau 2005.