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Grabungs- und Surveyarchäologie

Ein wichtiges Instrument der Archäologien – oft im Zusammenhang mit technischen Spezialfächern – sind eigene Ausgrabungen und Oberflächenuntersuchungen. Die Vorteile bei kompletten Ausgrabungen liegen in der großen Genauigkeit bei der Gewinnung aller Funde, die in vielen Fällen erst eine historische Einordnung ermöglicht. Die Vorteile von Oberflächenuntersuchungen (auch Surveys genannt) liegen hingegen in der Möglichkeit, in relativ kurzer Zeit (und zu relativ geringen Kosten) große Flächen eines antiken Siedlungsgebiets mit dem sichtbaren Bestand an Mauerwerk, Oberflächenkeramik und anderen Funden zu erfassen. Die beiden Methoden ergänzen sich und unterstützen sich häufig im Rahmen ein und desselben Forschungsprojekts (z. B. Ausgrabung in einer Stadt, Survey in deren Territorium).

Gerade in der breiten Öffentlichkeit ist Archäologie geradezu untrennbar mit Grabungstätigkeit assoziiert. Spektakuläre Ausgrabungen und unschätzbar wertvolle Einzelfunde sind – auch aus journalistischer Sicht – wesentlich spannender als der Inhalt von Abfallgruben oder eine kleine Tonstatuette, von der nur noch der Torso erhalten ist. Belletristik und Filmgeschäft tragen ein Übriges zu dieser Sicht bei. Dennoch geht es auch in der Grabungswissenschaft keineswegs vorrangig um Schatzsucherei oder die Rekonstruktion strahlender Marmortempel.

Die Archäologie hat es sich als Grabungswissenschaft zur zentralen Aufgabe gemacht, die materiellen Überreste der Vergangenheit im gesamten Kontext des früheren Lebens ans Licht zur holen und für die Analyse vorzustellen. Beliebte Reiseziele wie die Ausgrabungsareale von Ostia, Pompeii, Delphi, Ephesos und Troia verdanken ihre Beliebtheit nicht zuletzt der aus diesem Kontext entstehenden Anschaulichkeit, der man sich auf Reisen kaum entziehen kann. Und auch wo der Kontext nicht immer ohne weiteres zu erkennen ist, wie im heutigen Athen, Rom oder Köln, strebt man eine Kontextualisierung der Ausgrabungen an, entweder durch geeignete Visualisierung vor Ort oder durch ergänzende Texte und Graphiken in Museen. Statuen, Reliefs und Portraitköpfen, Gefäßen aus Edelmetall, Bronze oder Ton, Mosaiken, Schmuck und allem anderen, was aus Gründen der Konservierung und der Sicherheit nicht vor Ort ausgestellt werden kann, gilt dabei die besondere Aufmerksamkeit der Museen.

Aus wissenschaftlicher Sicht ebenso wichtig wie diese Preziosen sind allerdings die Befunde, die vor Ort verbleiben. Fragen von Architektur, Topographie, Siedlungsgeographie und Urbanistik können so erschlossen werden. Die entsprechenden Bauten und Anlagen, die den Archäologen aus dem Boden entgegentreten, sind darüber hinaus meist nicht in einem Zug so errichtet worden. Im Laufe der Jahrhunderte wurden insbesondere in den urbanen Siedlungszentren an ein und derselben Stelle Gebäude unterschiedlicher Art errichtet, repariert, erweitert, abgerissen, eingeäschert oder schlicht über längere Zeit verfallen gelassen. Dabei überlagerte meist das Neuere das Ältere horizontal. Es gilt also, diese Schichten (Strata, sing.: Stratum) möglichst für den gesamten Siedlungsplatz - ob Bauerhaus oder Metropole - zu erfassen und zu dokumentieren. Dies nennt man Stratigraphie. Ist diese Aufgabe erledigt, hat man ein chronologisches Gerüst des Siedlungsplatzes.