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Quellengruppen und-gattungen

Manche Quellen werden unter Oberbegriffen zusammengefasst und von anderen Quellen abgegrenzt, wobei dem keine Gesamtsystematik zugrunde liegt. Vielmehr geht es darum, die Charakteristika einer Quellengruppe hervorzuheben. Die Bestimmung solcher Quellengruppen ergibt sich u.a. durch die Materialität, den Herstellungszusammenhang oder die Art der Überlieferung. Grundlegende Einteilungen von Quellen finden sich in den Grundwissenschaften, mit deren Hilfe sie bearbeitet werden.[1]

  • Literarische Quellen, also Texte in griechischer und lateinischer Sprache, die in Handschriften aus dem Mittelalter überliefert sind (Philologie)
  • Inschriften (Epigraphik)
  • Texte, die auf Papyrus überliefert sind (Papyrologie)
  • Münzen (Numismatik)
  • Materielle Hinterlassenschaften (Archäologie)
  • Urkunden (Diplomatik)
  • Siegel (Sphragistik)
  • Wappen (Heraldik)

Es gibt weitere Systematisierungen, die häufig mit methodischen Innovationen im Zusammenhang stehen. Neue Zugänge zur Geschichte basieren mitunter auf Quellengruppen, die bis dahin weniger in den Blick genommen oder gar ignoriert wurden.

Ego-Dokumente beispielsweise verdanken ihre Aufmerksamkeit der Mikro- und Alltagsgeschichte, die in den 1970er und 1980er Jahren den Blick auf die Vergangenheit veränderte. Als „Quellen, in denen Individuen etwas über ihr persönliches Leben und ihre Gefühle erzählen und preisgeben“[2], galten sie früheren Historiker*innengenerationen als subjektiv und daher problematisch. Ebendiese Einblicke in die Gedankenwelt von Personen, auch solchen, die nicht zu den herrschenden Eliten gehörten, machen die Ego-Dokumente jedoch zur wertvollen Quelle. Dabei werden unter diesem Begriff Materialien zusammengefasst, in denen Menschen bewusst von sich erzählen (Interviews, Tagebücher), aber auch solche, in denen dies unbewusst geschieht (Testamente, Bettelbriefe). Wer sich mit Ego-Dokumenten beschäftigt, sollte einen Blick in die Literatur werfen, die diese Quellen und ihre Spezifika theoretisch behandelt. Gleiches gilt für Bild-, Audio- oder Videoquellen. Die Visual History oder die Sound History, die ebenfalls zu den neueren methodischen Zugängen gehören, haben mittlerweile grundlegende Einsichten über die Quellengruppen erarbeitet, die bei der Interpretation hilfreich und unverzichtbar sind.

Zudem haben Historiker*innen für bestimmten Untergruppen von Quellen, die seit langem und viel genutzt werden, ein sehr feines Analyseinstrumentarium entwickelt. Wer etwa mit hagiographischen Texten arbeitet, die von Heiligen berichten und meist im Mittelalter entstanden sind, sollte wissen, dass es dazu eine lange Forschungstradition gibt, die bereits viele grundsätzliche Erkenntnisse zu dieser Quellengruppe herausgearbeitet hat (Aufbau, verschiedene Typen von Heiligen, bestimmte Topoi der Darstellung etc.).[3] Solche Texte können vor allem auch dabei helfen, zu erkennen, welche Einblicke in die Vergangenheit sie erlauben. Die Wunder, von denen in diesen Quellen berichtet wird, erscheinen in unserer heutigen säkularen Welt unglaubwürdig, verdeutlichen aber mittelalterliche Glaubenswelten und sind daher gerade aus mentalitätsgeschichtlicher Perspektive aufschlussreich (also aus einem Blickwinkel, der nicht die Ereignisse selbst, sondern die Vorstellungen der Menschen im Mittelalter ins Zentrum rückt). Auch für den Fall von Tagebüchern, um ein weiteres Beispiel zu nennen, existieren Schriften, die über den Aufbau der Texte, die Funktionen des Schreibens oder die soziale Zusammensetzung der Tagebuchschreiber*innen informieren.[4] Solche generellen Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage für die Quellenkritik und müssen berücksichtigt werden. Wenn im Fall der konkret verwendeten Quellen z.B. Informationen zur sozialen Herkunft eines Tagebuchschreibenden fehlen, können solche generellen Befunde herangezogen werden, um begründete Vermutungen anzustellen und zu diskutieren.


[1] Goetz: Proseminar Geschichte, S. 288f.; Blum, Hartmut / Wolters, Reinhard: Alte Geschichte studieren (utb 2747), 3. Aufl., München 2021, S. 47f. Vgl. dazu auch den Leitfaden für das Studium der Alten Geschichte, Abschnitt „Quellengattungen“. Nicht alle Grundwissenschaften befassen sich nur mit einer bestimmten Quellengattung; es gibt auch solche, die sich mit einer bestimmten Thematik auseinandersetzen, etwa die Chronologie (Zeitmessung und Zeitablauf) oder die Genealogie (Abstammung und Verwandtschaft von Menschen).

[2] Etzemüller, Thomas: Biographien: Lesen – erforschen – erzählen, Frankfurt a.M./ New York 2012, S. 62.

[3] Einen Überblick bietet Herbers, Klaus: Hagiographie, in: Michael Maurer (Hrsg.): Aufriß der Historischen Wissenschaften, Band 4: Quellen, Stuttgart 2002, S. 190–214.

[4] Graf, Rüdiger / Steuwer, Janosch: Selbstreflexionen und Weltdeutungen. Tagebücher in der Geschichte und der Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts, Göttingen 2015.

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