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Sklaven/innen / Sklavenhandel

Michael Zeuske

Ende des 15. Jhs. existierten weltweit unterschiedlichste Sklavereien. Auf der iberischen Halbinsel gab es keinen S.-Fernhandel, aber vorwiegend afrikanische S. Im Zuge der Expansion Portugals an den Küsten Westafrikas (1415–1500) kam es bis um 1460 zu S.-Razzien. Im kontinentalen Westafrika konnten Europäer vor ca. 1560 nirgends Fuß fassen, bis Bakongo, das mächtige Kongoreich, zum ersten christlichen Reich in Westafrika und zum größten frühen Liefergebiet von S. wurde. Madeira, die Kanarischen und Kapverdischen Inseln sowie vor allem São Tomé und Príncipe wurden zu Depotinseln des Handels mit afrikanischen S. sowie zu Plattformen einer neuen atlantischen Sklaverei.

Erst die Conquista erlaubte es den Portugiesen seit ca. 1525, den Fernhandel mit Kriegsgefangenen, versklavten Frauen und Kindern aus der Kontrolle afrik. Eliten zu lösen und den transatlantischen S.-Handel zu begründen. Die port. Kolonie Angola wurde zum wichtigsten S.-Lieferanten der Amerikas. Die Portugiesen verschleppten ca. 40% der rund 12,5 Mio. Menschen aus Afrika, von denen ca. 11 Mio. lebend in Amerika ankamen. Insg. schätzt man die Zahl der Toten auf der middle passage (span. trata) auf 1,5 Mio. Senegambien und die Goldküste (heutiges Senegal, Guinea-Bissau, Guinea und Sierra Leone sowie Elfenbeinküste, Ghana und Togo) waren seit Ende des 15. Jhs. wichtige S.-Liefergebiete; seit dem Vordringen neuer nordwesteurop. S.-Handelsmächte von 1630 an kamen verstärkt S. von der Sklavenküste (vor allem heutiges Nigeria), Dahomey (heutiges Benin) und Kalabar (Südostnigeria und Kamerun) hinzu. Aus all diesen Gebieten gelangten S. in das span. Amerika, das bis Ende des 18. Jhs. keine eigenen S.-Versorgungsgebiete in Afrika hatte.

Kolumbus und die ersten Conquistadoren versuchten auf den Inseln der großen Antillen nach dem Muster der Portugiesen vorzugehen und einen neuen Typus transatlantischer Indiosklaverei in Amerika und Spanien zu schaffen. Kolumbus ließ, vor allem zur Deckung der Kosten seiner Expeditionen, seit 1494 Bewohner der Insel La Hispaniola einfangen, nach Spanien transportieren und verkaufen (Razziensklaverei). Die Katholischen Könige verboten den transatlantischen Handel mit Indio-S.; Apostaten und Kannibalen konnten jedoch weiterhin versklavt werden. In der Conquista Amerikas lernten die ersten Conquistadoren und Siedler lokale Sklavereien der Indiovölker kennen und übernahmen diese. Sie institutionalisierten sie in Form des repartimiento, d. h. der Verteilung von Kriegsgefangenen und Sklavinnen als Kriegsbeute, sowie der naboría, bei der Frauen zur Arbeit im Haushalt und sexuellen Dienstleistungen und Männer zum Goldwaschen oder Perlentauchen bzw. für Trägerdienste gezwungen wurden. Die indigenen Bewohner der großen Antillen starben rapide, sowohl aufgrund der S.-Razzien, aber vor allem durch die Zerstörung der Dorfgemeinschaften und der Ausbreitung von Krankheiten. Von 1502 an kamen versklavte Afrikaner von der iberischen Halbinsel in die Städte der Karibik. Ebenso wie einige freigelassene S. (libertos) zogen sie oft mit ihren Herren auf Conquistazüge, womit die Figur des „schwarzen Conquistadors“ entstand.

Die lange Geschichte der Sklaverei auf der iberischen Halbinsel hatte dazu geführt, dass sehr zeitig eine Rechtstradition aufkam, die unter römischem und arabisch-islamischem Einfluss auf die Integration der Haussklav/innen hinauslief; im theologisch-philosophischen Sinne wurde die aristotelische Tradition (Sklaverei = Naturzustand) durch eine thomistische Tradition ersetzt (Sklaverei = unnatürlicher, politischer Zustand). Auf diese Traditionen beriefen sich vor allem Dominikaner und Franziskaner in Amerika, um die Realitäten der ungeregelten Sklaverei in den frühen Siedlungsphasen auf den großen Antillen anzuklagen. Daraufhin erließ die Krone 1512 die Leyes de Burgos, die u. a. die frühe repartimiento-S. in eine legal geregelte encomienda umwandelte, die darauf abzielte, dass die Indigenen Arbeit leisteten und im Gegenzug „zivilisiert“ wurden. Außerdem verbot die Krone die direkte Versklavungen von Indios mehrfach; nach Gutachten des Dominikaners Bartolomé de Las Casas und anderen Mönchen wurde der direkte transatlantische S.-Handel gefördert (Koloniale Geschichte, Katholische Kirche).

Mit der Atlantisierung des S.-Handels, ohne Umweg über die iberische Halbinsel, kamen seit den 1520er-Jahren Massen von schwarzen S. nach Amerika (Atlantische Welt). Bis 1650 gelangten etwas mehr als 250.000 afrikanische S. in die span. Kolonien, vor allem in die Städte, aber auch in Bergbaugebiete. In den großen Hafenstädten entstanden schnell transkulturelle Lebensformen (Transkulturation). Cimarrones, geflohene schwarze S., verbündeten sich mit widerständigen Indigenen, Ansiedlungen geflohener S. (palenques, quilombos) waren weitverbreitet.

S.-Handel in den Städten der Hinterlandsökonomien und Verteilung von S. durch die Kolonialverwaltung (z. B. für Tabakanbau und Bergwerke) spielten eine wichtige Rolle.

Plantagenkolonien mit vielen schwarzen S. und massiver S.-Handel/-Schmuggel bildeten sich zwischen 1530 und 1800 zunächst vor allem auf La Hispaniola, an der brasilianischen Küste (Bahia, Pernambuco) und in der nicht­span. Karibik heraus. Die ersten afrikanischen S. wurden nach La Hispaniola und nach Brasilien verschifft, um in den engenhos (Zuckerrohrplantagen) zu arbeiten, d. h. auf dem Feld (escravos do eito), bei der Bearbeitung des Zuckers und im Herrenhaus als Haus-S. In den Städten arbeiteten viele escravos de ganho (Leih-S.), die jede Art von Dienstleistung anboten und ein Teil ihres Gewinns ihren Herrn abgeben mussten. Brasilien war die größte S.-Gesellschaft Amerikas mit dem umfangreichsten S.-Handel (ca. 5,8 Mio. Menschen vor allem aus Angola, Senegambien, Mosambik und der Sklavenküste). Für Spanisch-Amerika werden folgende Zahlen der einzelnen Kolonialterritorien geschätzt: Mexiko 200.000 bis 300.000 (vor allem im 16. und 17. Jh., zwei Drittel Männer), Kuba bis 1800 ca. 60.000 sowie im 19. Jh. 780.000 (wahrscheinlich viel mehr, bis über eine Mio.), Puerto Rico 77.000, Santo Domingo (Dominikanische Republik/ Haiti) 30.000, Zentralamerika 21.000, Ecuador, Panama und Kolumbien 200.000, Venezuela 121.000, Peru 95.000, Bolivien und Río de la Plata (heute Argentinien, Paraguay und Uruguay) 100.000 sowie Chile 6.000. Im span. Kolonialreich versuchte die Krone, die Dynamik der Exportkulturen und Plantagengesellschaften bis um 1780 mit der Vergabe des S.-Handels an Monopolgesellschaften zu kontrollieren (licencias, asientos). Erst im Umfeld der bourbonischen Reformen verbreitete sich hier das Modell der überaus gewinnträchtigen Massensklavereien Jamaikas und vor allem Saint-Domingues. Die Krone versuchte, diesen Entwicklungen mit der Entmonopolisierung des Handels (libertad de comercio, 1778/1789), der stufenweisen Freigabe des S.-Handels (1789–1804) sowie einem neuen S.-Kodex (1789) zu entsprechen. Dieser S.-Kodex grenzte die Bewegungsfreiheit der S. ein, legte Grenzen für Strafen, Arbeitszeiten, Versorgung und Rationen fest, schuf die Brandmarkung ab und versuchte den Selbstfreikauf einzugrenzen.

Die S.-Revolution auf Haiti (1791–1804) und die Kriege der Unabhängigkeitsbewegung schwächten die Sklaverei als Institution. Infolge der haitianischen Revolution und der Abolition des transatlantischen S.-Handels zu Beginn des 19. Jhs. übernahmen Brasilianer, Kubaspanier und US-Amerikaner den transatlantischen Menschenschmuggel aus Afrika, der trotz oder gerade wegen diplomatischer und medialer Abolitionsdiskurse neue Höhepunkte erreichte. Obwohl Portugal 1817, Brasilien 1831 und 1850 sowie Spanien unter englischem Druck 1820 den transatlantischen S.-Handel verboten, kam es  zwischen 1820–1880 zu einem gigantischen Menschenschmuggel; ca. 2–2,5 Mio. Menschen wurden bis 1851 nach Brasilien und ca. 0,7–1 Mio. Menschen nach Kuba geschmuggelt (und über Kuba eine unbekannte Menge in die USA).

Im Westen Kubas bildete sich die effizienteste und modernste Plantagenökonomie (Zucker, Kaffee, Tabak) des 19. Jhs. heraus, mit Hochtechnologien wie den mechanisierten ingenios und seit 1860/70 centrales (Zuckerfabriken). Durch die große Zahl an S. aus den unterschiedlichsten afrikanischen Regionen kam es zur Herausbildung einer multi- und transkulturellen Gesellschaft auf Kuba, die sich in neuen kulturellen Milieus und eigenständigen Kulten und Religionen und synkretistischen Formen des Protestantismus widerspiegelt. Eine starke Auswirkung auf die Gesellschaft hatten Kulturen und Religionen der unterschiedlichen ethnisch-religiösen Gruppierungen, die immer wieder mit Verschleppten aus Afrika aufgefüllt wurden.

Zusammen mit dem Süden der USA (1820– 1865) und Brasilien (1800–1888) sowie Puerto Rico (1815–1860) und Suriname (1815–1863) bildete das span. Kuba die wichtigste Gesellschaft der „Zweiten Sklaverei“ (D. W. Tomich). Neuere Forschungen zeigen, dass die Massensklaverei am längsten beibehalten wurde, wo die potentesten Hacendados die fortschrittlichsten Technologien und Arbeitsorganisation anwandten – Moderne und Sklaverei waren für die S.­Besitzer sehr wohl vereinbar. Widerstand der Versklavten in Form von Flucht oder Rebellionen waren alltäglich, führten aber, trotz einiger großer Aufstände, nicht zu einem „neuen Saint-Domingue“. Der direkte Widerstand, cimarronaje und der Banditismus erfassten allerdings sel­ten mehr als 5% der S.

Meist wurde in den unabhängigen Republiken die Sklaverei bis in die Mitte des 19. Jhs. graduell abgeschafft. In Brasilien kam es zwischen 1871 und 1888 zur schrittweisen Abschaffung der Sklaverei. Die bei Spanien verbliebenen Inseln Puerto Rico und Kuba hoben die Sklaverei 1873 bzw. 1880/1886 auf. Die Integration der S. in die Gesellschaft dauerte allerdings erheblich länger. (Afroamerikaner, Capoeira, Migration, Tanz, Musik)

Literaturhinweise

H. S. Klein, F. V. Luna: Slavery in Brazil, Cambridge 2010; M. Zeuske: Schwarze Karibik. Sklaven, Sklavereikulturen und Emanzipation, Zürich 2004; M. Zeuske: Die Geschichte der Amistad. Sklavenhandel und Menschenschmuggel auf dem Atlantik im 19. Jahrhundert, Stuttgart 2012; M. Zeuske: Handbuch Geschichte der Sklaverei. Eine Globalgeschichte von den Anfängen bis heute, Berlin 2013.

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